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Der Wiedergänger Klassenkampf

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Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wird im Berliner Technikmuseum gestreikt, genauer: in einer ausgegründeten Tochtergesellschaft, der T&M GmbH, wo vor allem die Besucherbetreuer und der Wachschutz ausgegliedert wurden, mit ca. 170 MitarbeiterInnen. Von über 50 KollegInnen, die an diesem Tag im Dienst waren streikten bis auf drei alle – deutlich über 90% aller MitarbeiterInnen! Die Forderung ist kurz und knapp: TV-L! Und tatsächlich wird auch in der Presse darüber berichtet, wo jedoch wichtige Passagen der Presseerklärung der Stiftung Deutsches Technikmuseum übernommen wurden: Die Einführung des TV-L würde eine Gehaltserhöhung von 50% bedeuten (http://www.berliner-zeitung.de/berlin/warnstreik-rund-800-besucher-mussten-technikmuseum-verlassen-24383684)! Für das Museum unbezahlbar (http://www.sdtb.de/Aktuelle-Mitteilungen.1459.0.html)!

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Ist eine solche Gehaltserhöhung nicht doch vermessen? Sicher, dem Land Berlin, welches im Wesentlichen das Technikmuseum finanziert (als Stiftung des öffentlichen Rechts), geht es finanziell inzwischen besser. Aber auch andere Berufsgruppen müssen sich mit deutlich geringeren Gehaltssteigerungen zufrieden geben. Auf wessen kosten soll diese Gehaltssteigerung finanziert werden, wer soll dafür aufkommen? Zudem sich der Stundenlohn in den letzten 5 Jahren schon um 60% erhöhte (von 6 auf über 9 Euro) – eine enorme Steigerung! Und nun schon wieder eine fast 50%ige Steigerung?

Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich etwas ganz anderes. Vor 13 Jahren, als sich für die Museumsleitung und dem Berliner Senat die Frage stellte, wie das Museum nach einer Erweiterung der Ausstellungsfläche finanziert und bespielt werden kann, griff man auf eine klassische Lösung zurück: man spart an den Servicekräfte. Einige Bereiche wurden vorher schon komplett ausgegliedert (wie die Reinigungskräfte) und die Aufträge an kostengünstige Firmen mit deutlich geringeren Stundenlöhnen vergeben und nun wurde auch die Besucherbetreuung an eine eigene Tochtergesellschaft ausgegliedert, mit Gehaltskürzungen von insgesamt deutlich über 60% – jenseits der Armutsgrenze (von ursprünglich über 12 Euro auf 6 Euro, inklusive Streichung sämtlicher Zulagen und zusätzlichen Leistungen). Auch wenn es nur Neueinstellungen betraf, war die Richtungen klar: auf Kosten der MitarbeiterInnen in der Tochtergesellschaft finanziert sich das Museum seine Erweiterung! Lohnkürzungen in anderer Gruppen fanden nicht statt! Besonders perfide: Die Lohnkürzungen fanden ausschließlich in den den ohnehin schon niedrigsten Gehaltsgruppen statt! In den oberen und und höchsten galt (und gilt) selbstverständlich der TV-L weiter, mit allen weiteren Erhöhungen, die es in den letzten Jahren gab. In der Besucherbetreuung ist man noch heute, trotz Arbeitskämpfe, weit von dem entfernt, wo die Stammbelegschaft vor 13 Jahren war! Hinzu kamen und kommen Befristungen und erzwungene Teilzeitarbeit (welche inzwischen mit viel Kraft und Ausdauer von Seiten der Beschäftigten und ein Umdenken in der Politik eingedämmt werden konnten).

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Dies ist keinesfalls eine Erfindungen des Technikmuseum, sondern in weiten Teilen Normalität: Vivantes, Charite, Botanischer Garten Berlin usw. Und natürlich auch in der Freien Wirtschaft, in absoluter Regelmäßigkeit. Genauer ist es das Prinzip des Niedriglohnsektor: Die Finanzierung von Dienstleistungen durch Gehaltsverzicht der Dienstleister (natürlich nur der ohnehin schlecht bezahlten – nicht der Banker und Manager, deren Gehälter um ein Vielfaches stiegen) – durch Umverteilung von unten nach oben! Nicht mehr das Prinzip der starken Schultern gilt (starke Schultern sollen mehr schultern als schwache), sondern das genaue Gegenteil: die „Kleinen“ finanzieren die „Großen“. Dieses Prinzip durchzusetzen und zu etablieren, ist die große Sünde der SPD! Die Klassengesellschaft, dessen Ende noch in im ausgehenden 20. Jahrhundert ausgerufen wurde, wurde damit ausgerechnet durch die SPD wieder gefestigt, ja zum Zukunftsprojekt im Rahmen der Globalisierung erhoben (der Niedriglohnsektor als Grundlage in der Globalisierung zu gewinnen). Was hier angerichtet wurde, ist in vielen Teilen der SPD, aber auch in anderen linken Parteien, noch immer nicht angekommen!

In diesem Sinne ist die Forderung der KollegInnen der T&M absolut notwendig und richtig! Zurück zum TV-L, keine weitere Spaltung! Keine weitere Finanzierung von Dienstleistung durch Niedriglöhner und deren Gehaltsverzicht! In den letzten 13 Jahren hat das Deutsche Technikmuseum Berlin durch die MitarbeiterInnen der T&M deutlich über 10 Millionen Euro gespart! Eine Wiedergutmachung wurde bisher nicht gefordert.

Sven Meyer

 

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