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SPD Programmkonferenz Arbeit

Arbeitender Mensch steht im Mittelpunkt

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Wahlprogramm-Konferenz

Berlin – Stadt der Arbeit

SPD-Mitglieder diskutieren das Wahlprogramm für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus 2016
Wahlprogramm-Konferenz am 16. 9. 2015 im Willy-Brandt-Haus

Die SPD will ihre Mitglieder in die Gestaltung des Wahlprogramms für die Berliner Wahlen im nächsten Jahr einbeziehen. Deshalb werden zu verschiedenen Politikbereichen Programm-konferenzen veranstaltet, auf denen sich die Mitglieder einbringen können. Die Struktur dieser Konferenzen ist gleich: Am Anfang hält der Landesvorsitzende Jan Stöß ein kurzes Einführungsreferat. Es folgt ein Fachreferat zum Thema, wenn möglich vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller. Anschließend teilt sich das Plenum auf in drei Gruppen, in denen jeweils fünf Thesen zu Teilgebieten des Hauptthemas von den Mitgliedern diskutiert werden. Danach werden im Plenum die Ergebnisse der Arbeitsgruppen kurz vorgestellt und von den politisch Verantwortlichen kommentiert. Abschließend wird auf elektronischem Weg mit Tablets eine Meinungsbildung unter den Teilnehmern über die Wertigkeit der einzelnen Thesen hergestellt.

SPD Programmkonferenz Arbeit
SPD Programmkonferenz Arbeit

 

Arbeitsplätze für Berlin
Das Thema war offensichtlich auf großes Interesse gestoßen denn mehr als 200 Gäste füllten den Saal im Willy-Brandt-Haus. Jan Stöß nannte in seiner Einführungsrede das Thema „Arbeit“ einen der Kernbereiche sozialdemokratischer Politik. Vollbeschäftigung und Teilhabe seien die Ziele Berliner erfolgreicher sozialdemokratischer Arbeitspolitik, auch vor dem Hintergrund von 200.000 Arbeitslosen und Zehntausenden Kriegsflüchtlingen. Es sei Aufgabe der SPD, beiden Gruppen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bieten, damit sie von ihrer eigenen Arbeit gut leben können.

Michael Müller hob besonders die Erfolge sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik in Berlin in den letzten Jahren hervor: 40.000 neue Arbeitsplätze seien entstanden, die derzeitige Arbeitslosenquote sei die niedrigste seit 1991, die Steuereinnahmen stiegen. Diese Entwicklung müsse fortgesetzt werden. Deshalb müssen wir uns neuen Industrien und Technologien öffnen, Berlin müsse die „Smart City Europas“ sein, das heißt, neue Entwicklungskonzepte für eine effiziente, technologisch fortschrittliche und sozial inklusive Stadtgestaltung erarbeiten und sich dabei digitale Technik nutzbar machen. Wie dies bereits
am Technologie-Standort Adlershof geschehe, müsse es künftig nach Beendigung des Flugbetriebs auch in Tegel möglich werden. „So wie wir Adlershof brauchen, werden wir in Zukunft auch Tegel brauchen.“

In den drei anschließenden Diskussionsgruppen standen die Themen der guten Arbeit in Berlin, der starken Wirtschaft und der Nutzung des Wissens in Berlin im Mittelpunkt. Die Verfasserin nahm als AfA-Mitglied an der Gruppe über „Gute Arbeit“ teil.

Gute Arbeit für alle Berlinerinnen und Berliner
Die Moderation in dieser Gruppe hatte Burgunde Grosse übernommen, arbeitsmarkt-politische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Kommentatoren waren Susanne Stumpenhusen, ver.di-Vorsitzende in Berlin-Brandenburg sowie der Staatssekretär für Arbeit, Boris Velter. Die fünf Thesen, die Grundlage der Diskussion in der Gruppe über die „Gute Arbeit“ darstellten, wurden einleitend kurz vorgestellt, wer sie verfasst hatte, wurde nicht gesagt. Hier seien die Titel der Thesen in der vorgelegten Fassung aufgeführt.

  • These 1: Gute Arbeit ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts – Arbeit 4.0.
  • These 2: Nur eine Ausbildungsoffensive schafft beste Bedingungen für Jugendliche
    und Betriebe.
  • These 3: Arbeit ist Gerechtigkeit – für Jüngere wie für Ältere. Der Arbeitsmarkt muss und kann noch inklusiver werden.
  • These 4: Zugang zum Arbeitsmarkt ist Zugang zur Teilhabe.
  • These 5: Für kurze Beschäftigungslosigkeit hilft aktiv und im Spiel bleiben.

Die in der These 1 dargestellten Ziele wurden allgemein gebilligt. Allerdings wurde deutlich kritisiert, dass sich der unter Mitverantwortung der SPD geführte Berliner Öffentliche Dienst
kaum an den Zielen der Guten Arbeit orientiere; vielmehr gebe es in den Behörden und Betrieben des Landes Berlin zahlreiche Beispiele für prekäre Arbeit, wie Honorarverträge statt regulärer Beschäftigung, Werkverträge, Fristverträge ohne Sachgrund, nicht vom Arbeitnehmer gewollte Teilzeit. Es müsse in das Wahlprogramm aufgenommen werden, dass der Berliner Öffentliche Dienst hier mit gutem und nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen müsse. Burgunde Grosse sagte dies zu.

Bei der Diskussion zur These 2 zum Thema Ausbildung spielte die fehlende Bereitschaft der Wirtschaft zur Bereitstellung von genügend betrieblichen Ausbildungsplätzen eine bedeutende Rolle, in Berlin sei die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in den letzten Jahren gesunken. Es wurde die Forderung nach Einfügung eines Passus zur Erhebung einer Ausbildungsumlage erhoben. Auch dürfe SPD nicht wie die Wirtschaft die mangelnde Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen feststellen, damit schiebe sie wie die Wirtschaft den Jugendlichen den Schwarzen Peter zu, wenn betriebliche Ausbildungsplätze fehlen. Dieser Satz solle gestrichen werden. Die im Text der These nicht erwähnte Jugendberufsagentur könne einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass Jugendliche einen auf ihre Fähigkeiten abgestimmten Weg einschlagen. Auch diesen Änderungswünschen stimmte die Moderatorin Burgunde Grosse zu.

Bei These 3, die die Integration von Menschen mit Behinderung und älterer Menschen in den Arbeitsmarkt mit entsprechenden Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen beinhaltete, wurde aus dem Publikum bemängelt, dass Fort- und Weiterbildung angesichts des ständigen technologischen Fortschritts für alle Beschäftigten notwendig sei. Auch hier stimmte Burgunde Grosse zu.

These 4 bezog sich auf geflüchtete Menschen, die am besten integriert werden können, wenn sie einen gesicherten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Hier wurde dringend ein Abbau von überflüssiger Bürokratie gefordert. Auch hier kam Zustimmung von Seiten der Moderatorin.

An These 5 – Wege aus der Arbeitslosigkeit – stieß zunächst die Formulierung der Überschrift auf deutliche Kritik. Außerdem wurde bemängelt, dass die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt thematisiert werden müsse, die wohl nur über den Zweiten Arbeitsmarkt möglich sei. Dem schloss sich Burgunde Grosse an. Sie sicherte abschließend nochmals zu, dass alle Änderungswünsche festgehalten worden seien und berücksichtigt würden bei der Programmformulierung.

Arbeitender Mensch steht im Mittelpunkt
In der anschließenden Kommentierung der Ergebnisse der Diskussion stellte Berlins Arbeitssenatorin Dilek Kolat klar heraus, dass sich sozialdemokratische Arbeitspolitik am arbeitenden Menschen orientiere, alle Maßnahmen der Modernisierung der Wirtschaft müssen dem Menschen dienen, nicht der Mensch der Wirtschaft.

Abstimmung über alle Thesen
Den Abschluss der Veranstaltung bildete die digitale Abstimmung über die Bewertung der jeweils fünf Thesen in den drei Arbeitsgruppen mithilfe von Tablets. Dabei fand die höchste Zustimmung die These „Gut ausgebildete Fachkräfte bringen die Innovationsgesellschaft zum Erfolg.“

Kritischer Rückblick
Beteiligung der Parteibasis – das sollte diese Programmkonferenz leisten. Angesichts der Zeitaufteilung – 90 Minuten für die Eingangsreferate, knapp 30 Minuten für die Diskussion in den Arbeitsgruppen, 45 Minuten für die Abschlussrunde im Plenum – blieb letztlich die konkrete Einbeziehung der Basis bei einer mehrstündigen Veranstaltung auf eine halbe Stunde beschränkt. Dies ist entschieden zu wenig, wenn man das Versprechen der Mitarbeit der Mitglieder bei der Wahlprogrammgestaltung ernst nehmen will. Und da ist es auch kein Trost, wenn am Schluss der Veranstaltung mit dem Tablet die Mitglieder abstimmen dürfen über die Wertigkeit von Thesen, die im Prinzip alle gleichwertig sind. Für das nächste Mal ist zu wünschen: Mehr Zeit für Demokratie, nämlich die Diskussion, kurze Input-Referate, keine überflüssigen Demokratie-Spielchen!

Gabi Thieme-Duske

 

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