You are currently viewing Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik in Berlin

Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik in Berlin

  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Zur ersten Diskussionsveranstaltung in diesem Jahr begrüßte der AfA-Kreisvorsitzende Sven Meyer die Reinickendorfer Mitglieder des Abgeordnetenhauses Jörg Strödter (stellv. Vorsitzender der SPD-Fraktion und fachpolitischer Sprecher für Energie, Betriebe und Beteiligungen) sowie Bettina König (Vorsitzende des SPD-Fraktionsarbeitskreises Arbeit, Integration, Soziales sowie fachpolitische Sprecherin für Berufliche Bildung der SPD-Fraktion), um den zahlreichen Anwesenden näheres aus der Fraktion, dem Senat, dem Koalitionsvertrag und eigene Schwerpunkte der zukünftigen politischen Arbeit zu berichten.

Einig war man sich ganz schnell, dass der Start der Koalition sehr unglücklich verlief. Ob die Sicherheitsdebatte nach dem Terroranschlag oder die Causa Holm, die SPD hat insgesamt keine gute Figur gemacht.

Die Frage ist aber, in welche Richtung soll die Koalition gehen, welche Schwerpunkte soll sie setzen und welche Rolle soll dabei die SPD in einer linken Koalition spielen?

Es herrschte Einigkeit darüber, dass eine glaubhafte Sozialpolitik eine zentrale Rolle spielen muss und das es erforderlich ist, dass die SPD sich hierbei als aktive Kraft hervortut! Hierzu gehört sowohl die Re-Kommunalisierung, gute Arbeitsbedingungen, gute Ausbildung, aber auch eine soziale Wohnungspolitik und ein guter Öffentlicher Dienst.

Jörg Strödter sieht hierbei seinen Arbeitsschwerpunkt aufgrund seiner politischen Funktionen, dabei vor allem in Fragen der Re-Kommunalisierung und den Arbeitsbedingungen in den landeseigenen Betrieben. So geht es beispielsweise um den Rückkauf der Gasag oder Teile von Vattenfall, aber auch den Arbeitsbedingungen bei den Charité- oder Vivantes-Töchter.

Er lobte die guten Koalitionsverhandlungen, den Koalitionsvertrag, betonte die gegenseitige Unterstützung mit Bettina König und beide fühlen sich eng an Raed Saleh zugehörig. Er merkte an, dass die Koalitionspartner personell sehr gut aufgestellt sind und ging kurz auf die öffentliche Diskussion über den Staatssekretär Andrej Holm ein, welches ein Problem der zuständigen Senatorin bzw. Koalitionspartner sei.

Bettina König hat bereits ihre erste schriftliche Anfrage zu den Jugendberufsagenturen*1 gestellt, möchte die zuständige Arbeitsagentur besuchen und stellte sich u.a. vor, eine Bundesratsinitiative zu erstreben, wonach es keine Ausnahmen oder Anrechnungen zum Mindestlohn in Deutschland mehr geben soll. Ferner möchte sie die Verbundausbildung voranbringen, speziell in den Start-up-Unternehmen.

Gabriele Thieme-Duske befürwortete die Ausbildungsplatzabgabe und bemerkte, dass der Staatssekretär für Bildung, Mark Rakles verstärkt gegen den Berufsschullehrermangel angehen will und muss. Es müssen dringend mehr Stellen geschaffen werden.

Rainer Knecht setzte in diesem Zusammenhang auch auf die Forderung nach Weiterbildung der Berufsschullehrer sowie den Ausbau der Berufsschulen bzw. deren zeitnahe und zeitgemäße Sanierung.

Marcus Striek griff die Forderung von Rainer Knecht auf und bemerkte, das 2016 die Wirtschaft ca. 2.500 Ausbilder nach der AEVO durch die IHK Berlin erfolgreich weitergebildet hat. Zu der Ausbildungsplatzabgabe wollte er wissen, von welchen 5% man denn im Koalitionsvertrag ausgehe, da es verschiedene Rechenmodelle zu diesem Thema gäbe. Ferner sollte man nicht „von Stellen schaffen“ reden, sondern von Kompetenzen! Denn Stellen werden budgetiert, aber Kompetenzen besetzen Stellen!

Zum Mindestlohngesetz gab er den anwesenden ein Upgrade (hier etwas ausführlicher)

2015 hatte die Fraktion DIE LINKE einen Antrag in den Bundestag gestellt „Mindestlohn sichern – Umgehungen verhindern“ (03.03.2015 Drucksache 18/4138)

Zitat:“…Auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld dürfen nicht verrechnet werden, selbst wenn sie auf den Monat umgelegt werden…“

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales hatte dann in seiner Sitzung am 27.04.2016 mit den Stimmen der GroKo die Ablehnung empfohlen. Zitat:“…Die Fraktion der SPD betonte, dass das Mindestlohngesetz die gewünschte Wirkung entfalte…die Fraktion lehne den vorliegenden Antrag als überholt ab…“ (27.04.2016 Drucksache 18/8278)

In diesem Zusammenhang erinnerte Marcus Striek zu der geplanten Bundesratsinitiative von Bettina König, das die Länder Brandenburg, Thüringen, Hamburg sowie Nordrhein-Westfalen, Bremen und Schleswig-Holstein eine Entschließung zur Änderung des Mindestlohngesetzes eingebracht hatten.

(01.07.2016 Drucksache 361/16)

In der Sitzung des Bunderates am 08.07.2016 gab der Brandenburgische Minister der Finanzen hierzu eine Erklärung ab. (08.07.2016 Plenarprotokoll 947)

Der Bundesrat hatte daraufhin in seiner 948. Sitzung am 23.09.2016 beschlossen, die Entschließung nicht zu fassen. (Drucksache 361/16 Beschluss)

Für den Berliner Senat war der Senator für Finanzen Dr. Kollatz-Ahnen anwesend.

Es erschließt sich nicht, was Bettina König besser machen möchte, wenn die SPD-Bundestagsfraktion und der Berliner Senat (und somit die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus) nichts an der prekären Situation der betroffenen ArbeitnehmerInnen ändern wollten. „Programmatische Äußerungen“ auf Facebook oder anderen sozialen Medien, Zitat:“…Aufweichungen des Mindestlohns dürfen wir nicht zulassen.“ helfen da nicht weiter, aber sich informieren, kämpfen und ggf. der klagenden Arbeitnehmerin in die Augen schauen kann etwas Wunderbares sein.

Wenn mit „Wir“ SozialdemokratenInnen gemeint sind, dann haben „wir“ es zugelassen und versagt. Als Sozialdemokrat schäme ich mich, als langjähriger Gewerkschafter und Mitkämpfer für 7,50 DM Mindestlohn bin ich entsetzt.

Zum Thema Staatsekretär Holm, erinnerte Marcus Striek an „klein Lieschen“, die bei der Einstellung und beim Arbeitsvertrag „situativ Wahrheiten erfunden hätte“, würde die ganze Härte der Gesetze und deren Rechtsprechung erfahren. Holm war nicht in irgendein „Kasperleverein“ – er war in dem Garderegiment des MfS, eines Unrechtstaates und wurde erfolgreich an Handgranaten und Maschinenpistolen ausgebildet, das verstehen viele BürgerInnen eben nicht.

Gabriele Thieme-Duske appellierte an unsere Abgeordneten, sich für eine Erhöhung der Ausbildungsquote in den öffentlichen Verwaltungen einzusetzen, denn nur so könne man den Fachkräftemangel erfolgreich vorbeugen.

Norbert Thieltges bemerkte, dass Pflegekräfte nur einen Stundenlohn von 10,20 € und examinierte Pflegekräfte einen Stundenlohn in Höhe von 13,00 € hätten, was viel zu wenig für diesen verantwortungsvollen Beruf und Tätigkeit sei und man sicherlich über die Gehaltshöhe auch diesen Beruf attraktiver machen könnte. Ferner bemängelte er, dass die zuständigen staatlichen Stellen die finanziellen Mittel für Genossenschaftsanteile bereitstellen, damit Flüchtlinge und Migranten auch bei Wohnungsbaugenossenschaften in Wohnungen ziehen können. Gerade ältere Menschen in den Genossenschaften haben Angst vor Spannungen und sozialen „Unruhen“. Hierzu bemerkte Marcus Striek, wenn ca. 50.000 Menschen p.a. nach Berlin ziehen und 1,8 Menschen (Statistik) in einer Wohnung leben, wenn Berlin die Single-Hauptstadt (45% der Haushalte) sei, dann reichen bei weitem die Wohnungen, die der Senat plant zu bauen, nicht aus. 50.000 Menschen dividiert durch Faktor 1,8 = x-Wohnungen (keine Denksportaufgabe).

Ferner würde Marcus Striek von Bettina König gerne erfahren, was es dem Berliner Steuerzahler kostet, wenn die Senatsverwaltungen und landeseigene Betriebe selbst von der Ausbildungsplatzabgabe betroffen sind (zur Erinnerung: 5% von was oder wem!?) und welche Maßnahmen unternimmt der Senat für die Weiterbildung seiner Beschäftigten…unternimmt – nicht „plant oder prüft“. Bedingt durch den Start als neues Mitglied des Abgeordnetenhauses wurde ein Termin hierzu zum Mai 2016 vereinbart.

Einig war man sich, dass in der jetzigen Koalition diesbezüglich mehr machbar ist, als in der vergangenen Legislaturperiode, in der Zielsetzung ist man sich deutlich näher. Gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr, dass die SPD hier als konservativer Regulator wahrgenommen wird.

Vor allem die AfA-Reinickendorf bleibt kritisch!

*1 Nur der Form und Klarheit halber: Es gibt nur eine Jugendberufsagentur Berlin mit 12 regionalen Standorten der JBA Berlin. Standorte tragen die Bezeichnung „Jugendberufsagentur Berlin Standort –(Name des Bezirkes/der Bezirke bei organisatorischer Zusammenfassung) (26.03.2015 Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Rahmen der Jugendberufsagentur Berlin sowie Abgeordnetenhaus Drucksachen 17/2188 in Verbindung mit Drucksachen 17/0798 und 17/2043)

Sven Meyer und Marcus Striek

Schreibe einen Kommentar