Fachkräfteengpass, Arbeitskräfte- oder Ausbildungsmangel!?

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„Deutschland steht vor einem Problem: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit werden bis 2030 etwa 5,2 Mio. Fachkräfte fehlen. Schuld ist der demografische Wandel…“
(tagesschau.de vom 26.05.2014)

„Internationale Studierende sind ideale Zuwanderer“ – wie beispielsweise auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration feststellte…Sie sind hoch qualifiziert und verfügen durch ihr Studium in Deutschland über anerkannte Bildungsabschlüsse. Sie beherrschen in der Regel die deutsche Sprache und sind mit den kulturellen und institutionellen Gepflogenheiten hier vertraut. Überproportional viele von ihnen schließen ein Ingenieurstudium ab und können so zur Fachkräftesicherung in diesem kritischen Segment beitragen… Ein zweites großes Problem ist, dass der Weg zum Studienabschluss für Bildungsausländer offenbar steinig ist…“
(manager-magazin.de vom 16.05.2014)

„Deutsche Unternehmen müssen kurz- und mittelfristig einfacher auf ausländische Fachkräfte zurückgreifen können…Viele ausländische Absolventen verlassen Deutschland nach Abschluss ihres Studiums wieder…sollte das Zuwanderungsgesetz an mehreren Stellen optimiert werden, um den Arbeitseinstieg in Deutschland zu vereinfachen. Die Einkommensuntergrenze für Hochqualifizierte ist mit 66.000 € p.a. noch immer zu hoch…“
(Fachkräftemangel und –sicherung, Antworten des VDI auf die Anfrage des BMWi vom 05.08.2010)

Es gibt keinen „Fachkräftemangel in Deutschland“! Es mangelt an „Leistungsträgern“ die bereit sind, sich für einen nicht existenzsichernden Lohn kaputtzuarbeiten. Stattdessen wurden und werden die gesetzlichen Zulassungsauflagen für günstigere ausländische ArbeitnehmerInnen durch die Politik gesenkt. Es freut die „Personalbüros“, wenn von ihnen hochüberbezahlte Lobbylakaien die Angst beim kleinen Arbeiter und der alleinerziehenden Angestellten durch die Medien propagieren.

Wer hat es verursacht, die Finanz-, Wirtschaft- und Immobilienkrise in den südlichen Mitgliedsstatten der EU? Von jenen Heuschrecken die nunmehr kostenneutrale Produktionseinheiten – auch Menschen genannt – aus den EU-Krisenländern saugen, die sich dann für die Gewinne der „Personalbüros“ abschuften, um dann ggf. mit gesundheitlichen Spätfolgen wieder entlassen zu werden. Durch vergleichbare geringe monatliche Arbeitsentgelte tragen sie dann ungewollt zur Belastung des kranken Gesundheitssystems bei und erlangen eine Rente, die durch Transferleistungen des Staates aufgestockt werden muss. Und der Bundesfinanzminister freute sich Ende November über sprudelnde Steuereinnahmen, die auf Zuwächse in der Lohnsteuer zurückzuführen sind.

Besorgniserregend ist aber die Tatsache, das die vielgepriesenen jungen Mit-Europäer aus den Krisenländern in ihrer Heimat fehlen. Den betroffenen EU-Heimatsstaaten fehlen sie mit ihren Fertigkeiten und Kenntnissen um dort für die Gesundung ihren Beitrag zu leisten. Langfristig werden so vom bundesrepublikanischen Steuerzahler weiterhin Subventionszahlungen und Kreditbürgschaften finanziert werden und als Gegenleistung trotzt jedes „Personalbüro“ weiterhin jeder Finanz- und Wirtschaftskrise und mehrt ihre Gewinne, die dann in Steueroasen und mit Duldung europäischer Länderregierung zu minimalsten Steuerabgaben führen. Eine verdammt große Bürgschaft an unsere Kinder und Kindeskinder!

Wie kommen alle (selbst)ernannten Fachleute zu den veröffentlichen statistischen Werten, wenn kein „Personalbüro“ gesetzlich verpflichtet ist, jede ihrer zu besetzenden Stelle an die Bundesanstalt für Arbeit zu melden? Die monatlich veröffentlichten Zahlen der Bundesanstalt kann daher nur ein Teil der ungedeckten Arbeitsnachfrage sein. Einfacher macht es sich der VDI – dieser rechnete einfach mal mit dem Faktor 7, seit Sommer 2014 (nur) mit dem Faktor 5 die angeblich fehlenden Ingenieure hoch, ohne dies öffentlich begründen zu können! Und schon haben wir einen sechsstelligen Ingenieurmangel? Laut EU-Verordnung 453/2008 und 1062/2008 liefern alle EU-Mitgliedsstaaten seit 2010 Quartalszahlen zu 22 Wirtschaftszweigen und deren gesamtwirtschaftlichen Stellenangeboten an die EU-Kommission…und es werden dann schnell für Politik und „Personalbüros“ Statistiken gebastelt.

Somit stellt sich die Frage wie ein Arbeitssuchender z.B. bei interner Stellenausschreibung (von Betriebs- und Personalräten gefordert) oder bei Personalsuche über persönlichen Kontakten (Netzwerke, Bekannte, private Personalvermittlungen) Kenntnis über ein solches Stellenangebot außerhalb des jeweiligen Betriebes erhalten soll!?
Diesen Verlust an Beschäftigungsmöglichkeiten folgt dann aus volkswirtschaftlicher Sicht, der Wertschöpfungsverlust. Für Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) entsteht dieser, weil der Glaser, Klempner, Maler oder Elektriker auf Aufträge verzichten muss. Für Großbetriebe und Industrie entsteht der Wertschöpfungsverlust dann, wenn Aufträge nicht von inländischen Betrieben ausgeführt werden können. Dann werden die Aufträge im Ausland abgearbeitet oder die „Personalbüros“ gehen dann aus Steuer-, Subventions sowie Umwelt- und Arbeitsrechtsgründen gleich in die Walachei. Hierzu kursieren unterschiedliche Summenhöhenschätzungen von unterschiedlichen statistischen Erhebungen und je nach Farbe der politischen Gesinnung. Die meisten „analytischen“ Erhebungen zum Wertschöpfungsverlust lassen z.B. unberücksichtigt:
1) Interne, betriebliche Umstrukturierungen
2) Ausweitung der Arbeitszeiten der ArbeitnehmerInnen
3) Arbeitszeitanpassung durch prekäre Arbeitsverhältnisse
Meine persönliche Schätzung: Am 24.12. ist Heiligabend…jedes Jahr überraschend!

Vor dem demografischen Wandel kommt der strukturelle Wandel
Industriearbeitsplätze sinken – in ganz Europa, denn monotone Fließbandarbeit verliert an Bedeutung, jedoch der Anteil im Forschungs- und Entwicklungssektor (FE) sowie Dienstleistungs- und Tourismussektor zeigt einen steigenden Beschäftigungswachstum, somit auch die fachlichen Qualifikationen.
Vor dem strukturellen Wandel kommt der konjunkturelle Wandel
„Hurra-Hurra wir sind Exportweltmeister“…“die Konjunktur steigt“…“der DAX auf Rekordhoch“ und viele weitere Lobpreisungen von Politik und „Personalbüro“ hören wir täglich fast sektenhaft. Und plötzlich bemerkt das „Personalbüro“ einen Arbeits- und Fachkräftemangel…ups. Wo sind die von Gewerkschaften jahrelang geforderten geeigneten Ausbildungsplätze? Die Ausbildungsplatzabgaben der „Personalbüros“, welche dann an den Glaser-, Klempner-, Maler- oder Elektromeister weitergegeben werden kann? Was unternimmt das „Personalbüro“ um seine Mitarbeiter zu qualifizieren? Wie hoch sind die Lohnsteigerungen und wie niedrig sind die Mehrarbeits- und Überstunden? Wer übernimmt eines Tages den Arbeitsplatz vom fleißigen Lieschen…vielleicht Schinderhannes? Wann leidet der Nächste an Burn-Out? Und: Welcher Mitarbeiter macht das Licht aus und schließt die Tür ab?

Und jetzt (endlich) kommt der Demografische Wandel
Liebes „Personalbüro“: Fach- und Führungskräfte bekommt man nicht in zehn Monaten!
Frauen sollen, nach Ansicht des ehem. IHK-Präsidenten Berlin (jetzt DIHK-Präsident) Eric Schweitzer, „öfter Vollzeit arbeiten“ und fordert vom Staat dafür „mehr Einsatz bei der Kinderbetreuung.“ Dies sagt der Eigentümer vom Recycling Unternehmen ALBA. Da kann man sich fragen, wie viele Frauen arbeiten in einem familienfreundliches Arbeitsverhältnis und wie viele Kinderbetreuungsplätze gibt es bei ALBA?

Durch das Ausscheiden der geburtenstarken 1960 Jahrgänge wird der Älterenanteil an der Gesamtbevölkerung – wie wir alle wissen – schlagartig ansteigen. Im Gegenzug wird der Jüngerenanteil rapide sinken, deren Unzufriedenheit z.B. an leeren Renten- und Krankenversicherungskassen, Staatsverschuldung und kaputtgesparte Infrastrukturen erheblich steigen!
In pessimistischen Rechenmodellen würden 56% der Bevölkerung zwischen dem 18. und 66. Lebensjahr theoretisch dem „Personalbüro“ zur Verfügung stehen…im Jahr 2060…theoretisch…und Ausbildungs- und Studienzeiten und/oder krankheitsbedingter oder Nichterwerbstätigkeit nicht berücksichtigt.

Eine durch Kindesgeburt verbundene Erwerbsunterbrechung führt oftmals finanziell in den Armutsstatus. Transferleistungen des Sozialstaates (Herdprämie oder das Kinder-Zuhause-Kopfgeld) federn das Armutsrisiko unzureichend ab. Davon betroffen sind aber nicht nur Familien sondern auch alleinerziehende Mütter und Väter. Die so häufig von Armutslagen betroffenen Kinder werden leider in ihrer Entwicklungsmöglichkeiten und Bildungschancen eingeschränkt. Alleinerziehende und deren Kinder lernen niemals die materiell-finanzielle Absicherung durch einen Ehepartner kennen, profitieren nicht von fiskalischen Förderungen (Ehegattensplitting) und können nicht an kulturellen-sozialen Ereignissen teilnehmen.

Abschließend sei erwähnt, das öffentliche, private und wirtschaftliche Investitionen in Angebote für frühkindlicher und (vor)schulischer Betreuung genauso wichtig sind, wie die Investition in deren Eltern. Um den Wirkungsgrad – die spätere Bildungsrendite – beurteilen zu können, müssen breite und geeignete statistische Erhebungen (Evaluierungen) erfolgen, aus denen dann die wirksamsten Modelle für Kinder, Familien und er Gesellschaft herauszufinden gilt.

Die AfA-Reinickendorf wird für das Jahr 2015 zum Thema Fachkräfte – ob nun Mangel, Sicherung oder Förderung – eine Veranstaltung durchführen, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind gemeinsame Lösungsmöglichkeiten und Forderungen an die verantwortlichen Sozialpartner zu formulieren.

Marcus Striek

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