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„Den Querschnittsrentner gibt es nicht.“

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Gemeinsame Veranstaltung der SPD Hermsdorf sowie der Arbeitsgemeinschaften  für Arbeitnehmerfragen (AfA) und der Selbständigen (AGS) in der SPD Reinickendorf am 21. 1. 2015 zum Thema

„Rente und der demographische Wandel“

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„Denn eins ist sicher: die Rente.“ Knut Lambertin, der DGB-Referent des Abends zum Thema „Rente und der demographische Wandel“, machte gleich zu Beginn des Abends keinen Hehl aus seinem Ärger über diesen Spruch, mit dem Norbert Blüm das Thema Rente für sich und seine Partei in Anspruch nahm. Denn Sozialpolitik und damit auch das Rentensystem waren früher die eindeutige Domäne der SPD. Auch heute noch sprechen ihr die Wähler in diesem Bereich die höchste Kompetenz im Vergleich zu den anderen Parteien zu, auch wenn die SPD inzwischen in etlichen Bundesländern das Sozialressort gern dem Koalitionspartner überlässt.

„Der Querschnittsrentner“

Knut Lambertin räumte mit Un- und Halbwahrheiten auf. „Den Querschnittsrentner gibt es nicht.“ Der Begriff erwecke die Illusion von einem Rentner, der mit einer angemessenen Rente gut über die Runden kommt. Der Begriff vom „Eck- oder Durchschnittsrentner“ sei aber nur eine rechnerische Größe, er verdecke die sozialen Ungleichheiten zwischen Rentnern in Ost und West, zwischen Männern und Frauen, zwischen Rentnern, die ihr Leben lang sichere Arbeitsstellen hatten und denen, die sich mühsam von einem Job zum anderen gehangelt haben mit kürzeren oder längeren Phasen der Arbeitslosigkeit. Entsprechend ungleich ist die Höhe der Renten. Ein solch geglättetes Bild der Wahrheit dürfe sie SPD nicht mittragen.

„Demographischer Faktor“

Auch hier wird mit Unwahrheiten Politik gemacht. Arbeitgeber und private Institutionen, darunter besonders die Bertelsmann-Stiftung provozieren Angst: In Zukunft seien die Renten im Solidarsystem nicht mehr finanzierbar, weil eine rückläufige Zahl von Beitragszahlern auf eine wachsende Zahl von Rentnern trifft, die auch noch immer älter werden, so dass die eingehenden Beiträge für die Rentenzahlungen nicht mehr ausreichen. Die politischen Folgen: Im Jahr 1997 führte die Regierung Kohl den sogenannten „demographischen Faktor“ in die Rentenformel ein; ein langsamerer Anstieg der Rentenhöhe und damit praktisch eine Kürzung der Renten wäre die Folge gewesen.

Bevor jedoch die geplante Gesetzesänderung in Kraft treten konnte, nahm 1998 die neue rot-grüne Bundesregierung diese Änderung zurück. Gleichwohl führte die zweite Regierung Schröder im Jahr 2004 mit dem „Nachhaltigkeitsfaktor“ den demographischen Faktor wieder in die Rentenformel ein.

Hieran übte Lambertin klare Kritik. Auch wenn sicher ist, dass die Menschen immer älter werden und damit die Bezugsdauer der Renten steigt, ist dennoch eine langfristige Prognose hinsichtlich der Zahl von Beitragszahlern einerseits und Rentnern andererseits nicht möglich. Durch Zuwanderung – Aussiedler, Flüchtlinge, Arbeitsmigranten – können sich die Zahlen deutlich ändern. Außerdem würden die Lohnentwicklung und die überproportional wachsende Produktivität bei der Errechnung des Nachhaltigkeitsfaktors überhaupt nicht berücksichtigt. Hier nannte Lambertin eindeutige Zahlen: Der Lohnzuwachs seit 1998 habe ca. 2,5% betragen, der Produktivitätszuwachs hingegen 37%.

Diese Faktoren sollten stärker ins Visier gerückt werden, anstatt eine „Generationenungerechtigkeit“ vorzuschieben und damit Politik zu machen.

Altersarmut

Altersarmut ist nicht individuelles Schicksal, sondern bedingt durch Arbeitsmarktsituation und Rentensystem. Wer über längere Zeit arbeitslos ist, wer in prekärer Beschäftigung nur ein geringes Arbeitseinkommen hat, wer wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung vorzeitig in Rente geht und nur eine niedrigere Erwerbsminderungsrente erhält, wer als kleiner Selbständiger, z.B. Kioskbesitzer, nur über ein geringes Einkommen verfügt, für den ist Armut im Alter vorgezeichnet.

Lobend hob hier Lambertin das „Berliner Rentenkonzept“ hervor – angestoßen vom SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß – , das die Sicherung des Lebensstandards im Alter und eine armutsfeste Rente vorsieht. Das Rentenniveau von rd. 50% der durchschnittlichen Bruttoeinkommen dürfe nicht reduziert werden. Auch eine gerechte Finanzierung des Beitragsaufkommens ist Bestandteil des Konzepts: Mit der Erwerbstätigen-versicherung sollen alle Beschäftigten in die Beitragserhebung einbezogen werden, d.h. auch allem Selbständige und Beamte.

Die gerade von privaten Versicherungen häufig geforderte private Vorsorge könne nicht als Instrument gegen Altersarmut gesehen werden, so Lambertin. Gerade diejenigen, die sie als Alterssicherung am nötigsten brauchten, können die Beiträge wegen ihrer geringen Einkünfte nicht finanzieren. Dies gelte auch für die von der SPD eingeführte Riester-Rente, die Lambertin als „kein Ruhmesblatt für Gewerkschaften und SPD“ bezeichnete.

Lambertin plädierte auch für eine Beibehaltung des Rentenzuschusses aus Steuermitteln. Anders seien versicherungsfremde Leistungen wie Anhebung der Ostrenten oder Absicherung der Renten von Frauen nicht gerecht finanzierbar.

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Verteilungsgerechtigkeit und politische Realisierung

Als wichtigste politische Maßnahme und Hauptaufgabe der SPD nannte Lambertin abschließend die Erarbeitung und Umsetzung eines verteilungspolischen Konzepts. Deren Ziel sei die materielle Besserstellung der abhängig Beschäftigten. Voraussetzung dazu seien die Aufhebung der Varianten prekärer Beschäftigung sowie höhere Steuer-einnahmen und dabei insbesondere die Einbeziehung der hohen Einkommen und Vermögen.

In der Diskussion mit den Teilnehmern stellte sich heraus, dass diese vor allem daran Zweifel hegten, dass die vorgetragenen Forderungen mit der SPD umzusetzen wären. Hier warnte Lambertin vor allzu viel Kleinmut. Politische Reformen bräuchten jahrelange Vorarbeit – Lambertin sprach von zehn Jahren -, das Anstoßen von gesellschaftlichen Debatten sei wichtiger als das dauernde Schielen auf Wahlergebnisse. Mit permanenter Diskussion, permanentem Druck und auch mit der eigenen Begeisterung könne man diese Reformen anschieben. Schließlich habe die SPD schon jetzt in der ungeliebten Großen Koalition gezeigt, dass mit dem Mindestlohn und der Einführung der Rente mit 63 der Begriff „Reform“ wieder positiver eingeschätzt werde.

Gabi Thieme-Duske

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