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Jugend braucht Zukunft

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„Berlin hat im Vergleich der Bundesländer immer noch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit (10,4%). Zigtausend (16.113) junger Menschen bis 25 Jahre stehen im Abseits – ein gewaltiges gesellschaftliches Problem. 75% der jungen Arbeitslosen haben keine abgeschlossene Ausbildung. Im zurückliegenden Schuljahr 2013/14 hatten 2.367 SchülerInnen die Schule ohne Bildungsreife beendet…Die IHK-Berlin lässt öffentlich verlauten, dass in Berlin prozentual weniger Ausbildungsplätze als anderswo zur Verfügung stehe, liege auch daran, dass es hier kleinere Betriebe gebe. Die angebliche mangelnde Ausbildungsreife der Jugendlichen würde hier auch seinen Beitrag leisten…30% der jungen Menschen brechen ihre Ausbildung ab. Vertragslösungen sind unvermeidbar – sie können im Einzelfall aber auch notwendig und sinnvoll sein…Der Worste-Case ist ggf. der Ausstieg aus der Bildungsbeteiligung sowohl des Auszubildenden wie auch des Ausbildungsbetriebes…Wenn junge Menschen als Billiglöhner ausgenutzt werden und keine attraktiven Berufsperspektiven angeboten bekommen, verliert nicht nur die Wirtschaft diese Menschen – auch gesellschaftlich ist dies eine große Problematik…“ waren auszugsweise die Eröffnungsworte von Marcus Striek (stellv. Vorsitzender der AfA-Reinickendorf), begrüßte und stellte kurz die kompetenten Gesprächspartner vor, Frau Senatorin Dilek Kolat (Arbeit, Integration und Frauen) sowie die Stadträte Uwe Brockhausen (Wirtschaft, Gesundheit und Bürgerdienste) und Andreas Höhne (Jugend, Familie, Soziales) sowie als Moderator Herrn Sven Meyer (Vorsitzender der AfA-Reinickendorf). Trotz Schulferien und Live-Übertragung der Viertelfinalspiele um den DFB-Pokal kamen 25 Interessierte der Einladung nach und Sven Meyer bat die Arbeitssenatorin eine Sachstandsmitteilung für Berlin zu geben.

Podium 02
„Obwohl die Beschäftigung in Berlin zunehme, können Jugendliche davon nicht profitieren, dies sei eine Schande“ sowie ein „Nachwachsen der Jugendarbeitslosigkeit“ zu beobachten sei und dass „Fachkräfte zukünftig gefragt sind“, meinte Arbeitssenatorin Kolat. Sie fügte an, dass der Senat in Kooperation mit der Regionaldirektion (RD) verschiedene geförderte Programme und das Projekt der Schaffung von Jugendberufsagenturen (JBA) mit bezirklichen Standorten zur Bekämpfung auferlegt hat. Für den Start 2015 sind vier Bezirke vorgesehen: Tempelhof-Schöneberg, Marzahn-Hellersdorf, Spandau und Friedrichshain-Kreuzberg. Ergänzend zu der erwähnten hohen Abbrecherquote in Berlin fügte sie hinzu, dass „Ausbildungsabbrüche oft mit der Berufswahl zu tun habe“ und hier der Ansatz für die JBA sein wird.
Stadtrat Andreas Höhne unterstrich abermals die gesellschaftliche Problematik und meinte, dass „im internationalen Vergleich Berlin gar nicht so schlecht da stehe, wenn man in die südlichen Länder Europas schaue“. Für den Bezirk Reinickendorf verzeichnet man ein „Nord-Süd-Gefälle und Reinickendorf ist von 9,1% Jugendarbeitslosigkeit betroffen“. Wichtig ist für ihn, die Jugendlichen für Bewerbungsgespräche besser vorbereitet zu sehen, diese müssen erkennen, wie wichtig es ist, sich vernünftig zu präsentieren.
Stadtrat Uwe Brockhausen berichtete von den vielen Gesprächen mit Verantwortlichen aus Reinickendorfer Unternehmen und ist davon überzeugt, dass „Jugend auch Zukunft bedeutet“. Viele ehrenamtlich tätige Menschen vermitteln und betreuen Praktikums- und Ausbildungsplätze im Bezirk. Das „Jugendliche nicht fähig zur Ausbildung seien“, lasse er von Unternehmerseite nicht so stehen, fügte zusätzlich den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel an.
Wortmeldungen zu Themen wie: Ausbildungsumlage, JBA, Einbindung des Elternhauses, Universitätsabsolventen über die Altersgrenze von 25 Jahren, Senatsauftragsvergabe an Ausbildungsbetriebe sowie Problematik der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Senatorin Kolat antwortete, wie ein Unternehmer, der nicht über die finanziellen Mittel zum Ausbilden verfüge, an einer Umlage beteiligt werden soll, denn hätte er die diese Mittel würde er auch ausbilden. Es gebe auch durch den Senat genügend Förderprogramme und finanzielle Anreize sowie die Verbundausbildung – diese Mittel müssen lediglich abgerufen werden. So schrieb die IHK-Berlin 70 Ausbildungsunternehmen zu einem Meinungsaustausch mit ihr an, aber nur sieben (7) folgten der Einladung. Auch die JBA wird nur erfolgreich sein können, wenn mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden. „Die Statistik wird am Anfang der JBA nach oben gehen“ waren ihre mahnenden Worte. „Das Elternhaus hat eine große Vorbildfunktion, wenn Eltern selbst berufstätig sind, das sei klar. Auch müsse das Elternhaus während der Berufsorientierung integriert werden.“ Ferner bemängelte sie, dass Gymnasien die Berufsorientierung in der Vergangenheit völlig ausgeklammert hatten. „Praktika während des Studiums müssen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse übergehen und Befristungen müssen zurückgehen.“
Stadtrat Brockhausen fügte an, dass es leicht sei, „Apelle zu formulieren“ und erläuterte die „Hoheitsbefugnisse eines Staates, der die Pflicht habe, regulierend einzugreifen z.B. bei der Inklusion.“ Er verwies auf das Vergaberecht bei Erteilung von Senatsaufträgen, denn dies müsse auch EU-Rechtskonform sein und bedauerte, dass „Wettbewerb über alles gehe“.
Anknüpfend und unterstützend fügte Stadtrat Höhne an, ein gutes Beispiel für staatliche Regulierung sei die Einführung der Frauenquote. Er bemängelte die heutige Unternehmenskultur – historisch belegt war es möglich, wenn Unternehmer sich um ihre Arbeiter und dessen Familie kümmerten. Zum Thema JBA war es ihm wichtig, nicht in das Gebäude der Reinickendorfer Arbeitsagentur zu ziehen um dort ein weiteres Schild Jugendberufsagentur anzubringen. „Der geeignete Standort wird für Reinickendorf dort sein, wo auch die Jugendlichen sind.“ Im Übrigen habe er sich nicht an dem Rennen der ersten vier Jugendberufsagenturen beteiligen wollen, vielmehr werde er die Arbeit der benannten Bezirke wohlwollend beobachten.
Auf die klar gestellte Frage von Marcus Striek, welche Kriterien maßgebend waren, damit jene vier bezirklichen Standorte der JBA den Zuschlag erhielten und warum z.B. Neukölln nicht in der Startphase dabei sei (hat Neukölln keine Jugendarbeitslosigkeit?) wurde seitens der Arbeitssenatorin abweisend nur der Hinweis gegeben „da musst Du schon Neukölln fragen!“
Liebe Genossin und Senatorin Dilek Kolat: aber ja, das wird selbstverständlich auf Berufung des Hinweises gerne von mir persönlich gemacht. Und sollte ggf. Interesse an der Antwort bestehen, darf gerne bei der AfA-Reinickendorf nachgefragt werden. Nur der Form halber sei bemerkt, dass eine ähnliche Anfrage als dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus am 28.01.2015 gefordert wurde (Drucksache 17/2071), mit der Bitte, dem Abgeordnetenhaus bis zum 1. März 2015 zu berichten.
Das musste ich mir nochmals ins Gedächtnis rufen: da wurden unzählige Vereinbarungen zum Thema JBA mit allen Kooperationspartnern öffentlich-medial-werbewirksam geschlossen, Sitzungen im Senat und deren Verwaltungen sowie in Fachausschüssen gehalten, (Frau Cordt von der Regionaldirektion wollte gar Menschen mit Behinderungen erst von der JBA ausschließen), es wurden Anträge im Berliner Abgeordnetenhaus gestellt und der Reinickendorfer Sozialdemokrat stellt frei formuliert sowie öffentlich eine Frage an die zuständige Senatorin und dieser Reinickendorfer Genosse Marcus Striek soll nunmehr in Neukölln nachfragen, warum die dort Verantwortlichen Kriterien ggf. nicht erfüllten, die Marcus Striek selbst nicht kennt?! Dolles Ding! Danke das ich das einmal „live“ erleben durfte und danke an all jene, die darüber schmunzeln oder lachen konnten.

Teilnehmer
Bedauerlicherweise konnte mangels Zeit der Arbeitssenatorin keine zweite Fragerunde durchgeführt werden. So konnte auch nicht ergänzend auf die Eingangs getätigte Aussage von Senatorin Kolat, „die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sei ein ur-sozialdemokratisches Anliegen und die JBA sei Teil des Berliner Koalitionsvertrags.“ Ur-Sozialdemokratisch war schon Anfang der 1980er Jahre, als die geburtenstarken Jahrgänge um Ausbildungsplätze rangen; und seit wann trug der SPD-Senat unter Klaus Wowereit Verantwortung, um dieses Problem anzugehen? Erst mit der erfolgreichen Gründung von Jugendberufsagenturen in Hamburg sprang die Berliner SPD auf diesen Zug auf. Aber auch Hamburg hat diese Jugendberufsagentur nicht „erfunden“, vielmehr gab es ab 1982 ein JBA-ähnliches-Modell bereits in Frankreich: „Mission Locales“ bieten 16-25-Jährigen individuelle Unterstützung bei der sozialen und beruflichen Eingliederung, in der Berufsberatung und deren Begleitung sowie die Vermittlung in Arbeit bzw. Ausbildung. „Mission Locales“ ist ein Teil der französischen staatlichen Arbeitsverwaltung (Service public de l´emploi), die wiederum mit lokalen Partnern und Unternehmen zusammenarbeitet. Also wer hat´s erfunden? Sicherlich nicht meine Partei, nach meinem bescheidenen Kenntnisstand.
Abschließend sei an dieser Stelle noch die Anmerkung gestattet, das unter tatkräftiger Unterstützung vom Stadtrat Brockhausen die Tische für das Podium gestellt werden mussten, die Geräuschkulisse durch das Servieren von Speisen und Getränken und das Besichtigen des Veranstaltungsraumes während der Diskussion lässt meiner Meinung nach die Sinnhaftigkeit dieses Veranstaltungsortes offen.

Marcus Striek

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